Mietrecht
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
in dem Rechtsstreit
Verkündet am:
30. März 2011 Ermel, Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
BGB § 559 Abs. 1
Zu den Kosten baulicher Modernisierungsarbeiten zählen auch Aufwendungen zur Wiederherstellung einer durch die Bauarbeiten beschädigten Dekoration. Diese Kosten können auch dann gemäß § 559 Abs. 1 BGB umgelegt werden, wenn der Mieter die Arbeiten selbst durchgeführt und der Vermieter ihm die Aufwendungen gemäß § 554 Abs. 4 BGB erstattet hat.
BGH, Urteil vom 30. März 2011 - VIII ZR 173/10 - LG Görlitz AG Görlitz
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. März 2011 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger, Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Görlitz -2. Zivilkammer - vom 23. Juni 2010 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Görlitz vom 1. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tra
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus der Klägerin in G. . Mit Schreiben vom 29. Januar 2007 kündigte die Klägerin den Mietern des Anwesens den Einbau von Wasserzählern und eine hierauf gestützte Mieterhöhung um 2,28 € monatlich an. Die Beklagten wiesen darauf hin, dass durch die beabsichtigte Maßnahme eine Neutapezierung der erst kürzlich renovierten Küche erforderlich werde, und verlangten für die in Eigenauszuführenden Arbeiten gemäß § 554 Abs. 4 BGB einen Vorschuss von (zuletzt) 144,30 € auf die ihnen insoweit entstehenden Aufwendungen. Die Klägerin erklärte sich mit Schreiben vom 28. Februar 2007 bereit, die von den Beklagten beanspruchten Renovierungskosten zu übernehmen, weil eine Beädigung der Tapete beim Einbau der Wasserzähler nicht zu vermeiden sei; zugleich wies sie darauf hin, dass es sich hierbei um umlagefähige Modernisiehandele, so dass sich die Umlage auf 3,67 € monatlich erhöhen werde.
2 Die Klägerin zahlte den als Renovierungskosten geforderten Betrag an die Beklagten und baute den Wasserzähler ein. Mit Schreiben vom 22. März 2007 legte sie die Gesamtkosten von 304,37€ (160,07 € für den Einbau des Wasserzählers und 144,30€ Vorschusszahlung an die Beklagten) gemäß § 559 Abs. 1 BGB um, so dass sich ein monatlicher Erhöhungsbetrag von 2,79€ erDen auf den Tapezierungskostenvorschuss entfallenden Teilbetrag von jeweils 1,32€ zahlten die Beklagten nicht.
3 Die Klägerin begehrt für die Monate Juni 2007 bis Mai 2009 Zahlung von 31,68€ nebst Zinsen sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 46,41 €. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherdes erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat Erfolg.
5 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeührt:
6 Die Klägerin sei nicht berechtigt, die den Beklagten erstatteten Auslagen für die nach dem Wasserzählereinbau durchgeführten Schönheitsreparaturen gemäß § 559 Abs. 1 BGB als Mieterhöhung umzulegen.
7 Eine Abrechnung über die Schönheitsreparaturen sei nicht erfolgt. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die gesamten Aufwendungen in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Einbau des Wasserzählers stünweil das von den Beklagten in Rechnung gestellte Material für die Tapezieder gesamten Küche ausgereicht hätte.
8 Im Übrigen könnten Aufwendungen, die der Vermieter dem Mieter geäß § 554 Abs. 4 BGB erstattet habe, grundsätzlich nicht als Modernisierungsumgelegt werden. Denn dies würde dazu führen, dass der Mieter - entdem Schutzzweck des § 554 Abs. 4 BGB - den eigenen Aufwand finanmüsste und selbst nach der Amortisierung der Kosten eine entsprechend höhere Miete zu zahlen hätte. Der Mieter, der seinen Aufwendungsersatzangeltend mache, würde mit einer höheren Miete quasi “bestraft“.
9 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Klägerin hat die Miete mit Schreiben vom 22. März 2007 für die Zeit ab Juni 2007 wirkum 2,79 € monatlich erhöht. Entgegen der Auffassung des Berufungsgedurfte die Klägerin auch die im Anschluss an den Wasserzählereinbau entstandenen Renovierungskosten gemäß § 559 BGB als Modernisierungsöhung umlegen.
10 1. Gemäß § 559 Abs. 1 BGB kann der Vermieter nach der Durchführung baulicher Maßnahmen, die den Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhödie allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessern oder nachhaltig Einsparungen von Energie oder Wasser bewirken, die jährliche Miete um 11 vom Hundert der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen. Zu derartibaulichen Maßnahmen - hier zur Einsparung von Wasser - gehört nach allgemeiner Meinung auch der Einbau von Wasserzählern. Hiervon geht auch das Berufungsgericht zutreffend aus.
11 Zu den Kosten baulicher Modernisierungsmaßnahmen zählen auch Auffür Tapezierarbeiten, die erforderlich werden, weil die vorhandene, an sich noch nicht erneuerungsbedürftige Dekoration durch die Bauarbeiten beschädigt worden ist. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung hanes sich dabei nicht um allgemeinen, unabhängig von der Modernisierung anfallenden und damit nicht auf den Mieter umlagefähigen Instandsetzungsauf
12 Der Vermieter kann die Kosten für einen derartigen Aufwand nicht nur bei Auftragsvergabe an einen Dritten gemäß § 559 Abs. 1 BGB auf den Mieter umlegen, sondern auch dann, wenn er die Kosten - wie hier - in der Weise gehat, dass er dem Mieter, der sich zur Durchführung der Arbeiten bereit erklärt hat, den hierfür verlangten Betrag gemäß § 554 Abs. 4 BGB zur Verfügestellt hat.
13 a) Allerdings geht eine in der Instanzrechtsprechung und in der Literatur vertretene Auffassung, der auch das Berufungsgericht folgt, davon aus, dass § 554 Abs. 4 BGB die Kostentragung endgültig regele und es deshalb unzulässei, den Mieter über § 559 BGB die Kosten letztlich doch tragen zu lassen (AG Schöneberg, MM 1990, 130; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. IV 364; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2011, § 559 Rn. 42; MünchKomm BGB/Artz, 5. Aufl., § 559 Rn. 23; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 559 BGB Rn. 37; vgl. auch Herrlein/Kandelhard/Both, Miete, 4. Aufl., § 559 Rn. 103). Teilweise wird dabei danach differenziert, wer das unternehmerische Risiko für diese Arbeiten trägt (Sternel, aaO).
14 b) Die Gegenmeinung stellt darauf ab, dass es keinen Unterschied makönne, ob der Vermieter die Arbeiten selbst in Auftrag gebe und die Kosten direkt trage oder ob der Mieter sie ausführe und sich die Kosten nach § 554 Abs. 4 BGB vom Vermieter erstatten lasse. In jedem Fall handele es sich um unmittelbaren Bauaufwand (Schmidt/Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 10.Aufl., § 559 BGB Rn. 158; Mersson, DWW 2009, 122, 128).
15 c) Der letztgenannten Auffassung gebührt der Vorzug. § 559 Abs. 1 BGB gestattet dem Vermieter die Umlage der von ihm für Modernisierungsmaßnahaufgewendeten Kosten, um einen Anreiz dafür zu schaffen, dass der Verentsprechende im allgemeinen Interesse liegende bauliche Maßnahmen durchführt (vgl. BT-Drucks. 14/4553, 5. 58). Eine Einschränkung dahin, dass der Vermieter ihm tatsächlich entstandene Kosten nicht umlegen dürfte, wenn und weil die Arbeiten von dem in Vorlage getretenen Mieter selbst ausgeführt worden sind, ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 559 Abs. 1 BGB noch aus seinem Zweck. Sie würde auch dem Interesse beider Mietparteien widerkleinere Nacharbeiten im Zusammenhang mit einer Modernisießnahme kostengünstig durch den Mieter in Eigenleistung ausführen zu lassen. Denn ein Vermieter, der die dem Mieter hierfür erstatteten Kosten nicht umlegen könnte, hätte Anlass, von vornherein einen Handwerker zu beauftraweil er diese - regelmäßig höheren - Kosten ohne weiteres auf den Mieter umlegen kann. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der Vermieter als “Bauherr“ der Nacharbeiten anzusehen ist; entscheidend ist vielmehr, dass der Vermieter dieAufwand im Rahmen einer baulichen Modernisierungsmaßnahme getragen hat.
16 Anders als das Berufungsgericht meint, wird der Mieter durch die Umlage der ihm erstatteten Modernisierungsaufwendungen auch nicht “bestraft“. Denn der Vermieter muss diese Kosten - wie die übrigen Kosten, die ihm für den Einder Wasserzähler entstehen - bevorschussen und kann sie lediglich im Rahmen des § 559 Abs. 1 BGB über einen längeren Zeitraum umlegen.
17 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht daran, ob die von den Beklagten geltend gemachten Renovierungsaufwendunüber das hinausgingen, was zur Beseitigung der durch den Zählereinbau verursachten Schäden an der Dekoration erforderlich war. Den Beklagten ist es jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (~ 242 BGB) verwehrt, sich darauf zu berufen, dass die von ihnen geltend gemachten und von der Klägerin vollständig erstatteten Aufwendungen ihnen nicht entstanoder nicht erforderlich gewesen seien. Das Gleiche gilt für den weiteren Einwand der Beklagten, sie hätten die Renovierungsarbeiten erst am 15. April 2007 abgeschlossen, so dass die von der Klägerin mit Schreiben vom 22. März
2007 begehrte Mieterhöhung verfrüht gewesen sei. Da die Beklagten den beKostenvorschuss für die Renovierung schon vor dem am 20. März 2007 erfolgten Einbau des Wasserzählers gefordert und erhalten haben, ist das Vorgehen der Klägerin nicht zu beanstanden; die Beklagten müssen sich zunach Treu und Glauben so behandeln lassen, als wären die Arbeiten unmittelbar nach dem Einbau des Wasserzählers erfolgt.
18 Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung wurde die Mieterhögemäß § 559a Abs. 2 Satz 1 BGB mit dem Beginn des dritten Monats ab Zugang des Mieterhöhungsbegehrens vom 22. März 2007 wirksam, so dass die Beklagten die erhöhte Miete ab Juni 2007 zu zahlen hatten. Eine Verlängerung der Frist nach § 559a Abs. 2 Satz 3 BGB wegen nicht rechtzeitiger Ankündider Modernisierung gemäß § 554 Abs. 3 Satz 1 BGB kommt nicht in Beweil der Einbau des Wasserzählers nur mit einer unerheblichen Einwirauf die Mieträume verbunden war und lediglich eine unerhebliche Mieteröhung zur Folge hatte, so dass es gemäß § 554 Abs. 3 Satz 3 BGB einer Moündigung nach § 554 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht bedurfte.
III.
19 Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (~ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiteren Feststellungen bedarf (~ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Vorinstanzen:
AG Görlitz, Entscheidung vom 14.01.2010 -4 C 336/09 -
LG Görlitz, Entscheidung vom 23.06.2010-2 S9/10 -